TEUFELSGRINSEN - EIN FALL FÜR ANNA KRONBERG
von ANNELIE WENDEBERG
Kiepenheuer & Witsch Verlag (www.kiwi-verlag.de)
Erschienen im Februar 2014
ISBN 978-3-462-04643-4
Format: broschiert
Preis: 14,99 Euro
Seiten: 240
Wir befinden uns im London der viktorianischen Zeit, gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Allerdings nicht in den prunkvollen Gegenden
der Metropole, sondern in den ärmeren Vierteln, in denen die Menschen tagtäglich ums Überleben kämpfen.
Anna Kronberg, eine junge Frau, lebt ebenfalls in einer dieser nicht gerade bevorzugten Wohnlagen. Allerdings nicht, weil sie sich
nichts besseres leisten kann, sondern, weil sie möglichst unauffällig bleiben muss. Ihr ganzes Leben ist eine einzige Lüge - der Preis dafür, dass sie ihren Traum verwirklicht hat, Medizin zu
studieren. Mittlerweile ist sie hoch angesehen auf ihrem Spezialgebiet, der Bakteriologie, und wird in dieser Position zu einem Wasserwerk nahe der Stadt beordert, in dem eine männliche Leiche
angeschwemmt wurde, die mit Cholera infiziert sein könnte.
Um Gewissheit zu erlangen und im schlimmsten Fall sofort reagieren zu können, will man also den Besten seines Fachs zu Rate
ziehen: Dr. Anton Kronberg. Ihr ahnt es schon: Anna gibt sich als Mann aus, da es ihr als Frau zur damaligen Zeit nicht gestattet ist, Medizin zu studieren.
Die Fesseln der viktorianischen Gesellschaft waren gerade für Frauen äußerst stramm und Anna bringt sich selbst mit ihrer
Verkleidung Tag für Tag auf's Neue in Gefahr. Da macht man sich doch wirklich Gedanken, ob es das wert ist? Einen Traum leben, dafür aber das restliche Leben, sich selber verleugnen? Anna kommt
mir wie ein Schatten vor, immer vorsichtig und auf der Hut. Lebensfreude? Fehlanzeige.
Im Wasserwerk lernt Anna die Polizeibeamten kennen, die den Fall der Leiche untersuchen. Unter ihnen befindet sich ein Detektiv,
dessen Name uns allen wohl bekannt ist: Sherlock Holmes!
Und hier frage ich mich, ob die Autorin sich einen Gefallen damit getan hat, diese berühmte Figur ins Spiel zu bringen? Jeder hat
schon mal einen Sherlock Holmes - Film gesehen oder ein Buch über ihn gelesen - das macht ihn zu einem Protagonisten, an den man nicht unvoreingenommen herangeht. Man hat bereits eine
vorgefertigte Meinung über ihn, bevor man ihn "kennenlernt". Auch fragt ein leises Stimmchen, ob Herr Holmes vielleicht zu Werbezwecken seinen Auftritt in diesem Krimi hat? Lange Rede, kurzer
Sinn: mir hätte hier ein neuer und unverbrauchter Charakter besser gefallen.
Da Herr Holmes ja nunmal äußerst scharfsinnig ist, fällt ihm natürlich bereits nach ein paar Minuten auf, dass Anna eine Frau ist.
Aber er hält dicht. Zwischen den beiden entwickelt sich der erste verbale Schlagabtausch und Sherlock muss feststellen, dass Anna ihm in Sachen Intelligenz durchaus ebenbürtig ist.
Ich hatte anfangs so meine Schwierigkeiten mit den beiden, da mir ihre wahnsinnig klugen Dialoge doch sehr weit hergeholt
erschienen. Doch nach dem ersten Drittel hat mich die Geschichte richtig gepackt. Denn wenn man sich erst auf das Buch einlässt, erfährt man viel Wissenswertes über die viktorianische Zeit, über
die Entwicklung der Medizin, die Möglichkeiten, die man damals überhaupt hatte - und man kommt zusammen mit Anna und Sherlock einem Verbrechen auf die Spur, das ungeahnte Ausmaße hat und einen
regelrecht erschaudern lässt.
Und die Sache zwischen Anna und Sherlock? Tja, das müsst Ihr dann schon selber nachlesen.
MEIN FAZIT: nach anfänglichen Schwierigkeiten gute Unterhaltung mit einem immer spannender werdenden Erzählstrang. 3,5/5
BÜCHEREULEN