DAS VERLORENE DORF
von STEFANIE KASPER

Goldmann Verlag der Verlagsgruppe Random House (www.goldmann-verlag.de)
Erschienen im April 2015
ISBN 978-3-442-47977-1
Format: Taschenbuch 
Preis: 9,99 Euro
Seiten: 384


Dieses Buch schafft es, den Leser gleich mit dem ersten Satz gefangen zu nehmen, ihn zu packen, einen regelrechten Sog zu entwickeln und bis zum Ende nicht mehr locker zu lassen. 

"Im Sachsenrieder Forst geht es nicht mit rechten Dingen zu." -Zitat Seite 9


.....mit diesen Worten beginnt die Geschichte und sofort will man mehr wissen, wird zum Voyeur, ist gleichermaßen erstaunt, fasziniert und entsetzt, atmet den Duft des Waldes ein, sieht die Nebelschwaden vorbeiziehen und wird unwiderstehlich angezogen von diesem kleinen versteckten Dorf, das tief im Dickicht verborgen liegt. 
Denn um Haberatshofen ranken sich so einige schaurige und gruselige Geschichten. Mythen und Legenden, die dafür sorgen, dass niemand etwas mit den Einwohnern zu tun haben will.

Und so kann man gar nicht anders, als einzutauchen in die Geschichte des Waisenmädchens Rosalie, des Bauern Romar und des kleinen Ortes Haberatshofen. Denn obwohl es die Autorin schafft, dem Leser mit ihren atmosphärischen Beschreibungen ein ums andere mal einen eiskalten Schauer über den Rücken zu jagen, will man nicht mehr aufhören zu lesen, will man um jeden Preis das Geheimnis des Dorfes erfahren und ist zunehmend sprachloser und schockierter. 

 

1844 im Ostallgäu: das Waisenmädchen Rosalie erfährt zum ersten mal in ihrem Leben ein Gefühl von Glück und grenzenloser Liebe. Dies wurde ihr bisher verwehrt, denn Rosalie ist anders als die anderen Kinder, anders als die anderen Menschen um sie herum. Sie wird gemieden und beschimpft, in Wirklichkeit hat man jedoch Angst vor ihr und vor allem vor dem Blick aus ihren Augen und bezichtigt sie, mit den bösen Mächten im Bunde zu sein. Rosalie ist das, was man landläufig einen Albino nennt: ein Mensch mit fast weißen Haaren, einer extrem hellen Haut und rötlichen Augen.

Dieses Aussehen führt dazu, dass sie das Augsburger Waisenhaus, in dem sie von dem Tag an lebte, als eine Nonne sie als ausgesetzten Säugling fand, verlassen muss und daraufhin in einem Allgäuer Waisenhaus als Küchenhilfe unterkommt. Hier lernt sie Romar kennen, einen jungen Bauern aus dem versteckten Örtchen Haberatshofen. Die beiden verlieben sich ineinander und wollen heiraten, obwohl Rosalie von mehreren Menschen vor dieser Ehe gewarnt wird. Keiner kann oder will genau benennen, warum Rosalie diese Ehe nicht eingehen sollte, dennoch wird schnell klar, dass von dem äußerlich so idyllischen Haberatshofen eine Gefahr ausgeht, ein Grauen, das nicht zu greifen und mit Worten nicht zu beschreiben ist.

 

Rosalie schlägt alle Warnungen in den Wind und heiratet Romar trotzdem. Dass er sie vor der Hochzeit nie, auch nicht auf ihr Bitten hin, in sein Heimatdorf mitnahm, beunruhigt sie nicht. Frisch verliebt und vermählt lernt sie nun endlich die kleine Dorfgemeinschaft, die aus kaum mehr als 20 Leuten besteht, kennen und wird auf`s Allerherzlichste empfangen. Rosalie fühlt sich schnell heimisch und genießt es in vollen Zügen, Teil einer großen Gemeinschaft zu sein, nicht mehr schief angesehen zu werden sondern ganz offen gemocht und akzeptiert zu werden.

 

Bald schon ziehen jedoch Gewitterwolken auf: Romar benimmt sich ihr gegenüber zunehmend abweisender und zudem beschleicht sie das Gefühl, dass man nicht ehrlich zu ihr ist. Bei Dorfversammlungen wird sie grundsätzlich ausgeschlossen und die anderen drei Waisenmädchen, die einige Zeit vor ihr ebenfalls in das Dorf geheiratet haben, bekommt sie nie zu Gesicht.

Nach und nach kommen immer mehr Ungereimtheiten ans Tageslicht, die dem Leser Schauer über den Rücken jagen. Mysteriöse Begebenheiten, für die es keine Erklärungen gibt, rauben Rosalie die Luft zum Atmen. Dennoch liebt sie Romar und möchte nichts mehr, als mit ihm glücklich zu werden.

 

War das Buch in der ersten Hälfte schon spannend und mysteriös vom ersten Satz an, nimmt es in der zweiten Hälfte noch mal gehörig an Fahrt auf: die Ereignisse überschlagen sich und rufen beim Leser Entsetzen, Unglauben und Grauen, aber auch Sensationsgier hervor. Unmöglich kann man sich dem Sog, den "Das verlorene Dorf" entwickelt, entziehen.

 

Grandiose Erzählkunst, daher lautet MEIN FAZIT: 5/5 BÜCHEREULEN

Kommentar schreiben

Kommentare: 0