GIRL ON THE TRAIN
von PAULA HAWKINS

Blanvalet Verlag der Verlagsgruppe Random House (www.blanvalet-verlag.de)
Erschienen im Juni 2015
ISBN 978-3-7645-0522-6
Format: broschiert
Preis: 12,99 Euro
Seiten: 448

Übersetzt aus dem Englischen von Christoph Göhler 
Titel der Originalausgabe: The Girl on the Train 



DIE Thriller-Sensation des Jahres 2015. Beworben auf sämtlichen Kanälen. Mit Begeisterung angepriesen. Aber - konnte das Buch nun auch halten, was diverse Werbekampagnen versprachen?

Ja! Das konnte es definitiv! 
Der Plot, die Sprache, die verschiedenen Sichtweisen, aus denen diese Geschichte erzählt wird - alles zusammen bildet eine harmonische Einheit. Eine Einheit die funktioniert, die am Ende aufgeht. Trotz eher unsympathischer Protagonisten, von denen wirklich keiner ohne "Leiche im Keller" ist, trotz schwermütiger und negativer Schwingungen, die diese Geschichte von Anfang bis zum Ende verbreitet, ist dieses Buch eines von denen, die noch lange in sehr guter Erinnerung bleiben werden. Weil es sich von der Masse abhebt und weil es voller Antihelden ist, die für die richtige Würze sorgen und "Girl on the Train" schlussendlich zu einem wahren Lesegenuss machen.

Wir haben es hier mit einer Hauptprotagonistin zu tun, die das komplette Gegenteil von "strahlend schön, schlank, erfolgreich und sympathisch" ist: Rachel war mir gleich zu Beginn zuwider. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich es liebe, Romanfiguren zu hassen! Denn Rachel ist ein Mensch, mit dem man nicht befreundet sein möchte. Depressiv, eine Stalkerin, verlogen und ohne Ziel spielt sie ihrer Umwelt eine Schmierenkomödie vor und fährt jeden Morgen mit dem Zug aus einem Vorort in Londons Innenstadt, um dort angeblich zu arbeiten. Tatsächlich ist es aber so, dass sie schon vor Monaten gekündigt wurde. Weil sie sturzbetrunken zur Arbeit kam. Denn Rachel ist schwere Alkoholikerin und auch diversen Pillen nicht abgeneigt.
Nun lungert sie also den ganzen Tag während ihrer "Arbeitszeit" in London herum, ist meistens schon am Vormittag nicht mehr nüchtern und fährt dann abends, als ob nichts wäre, mit dem Zug wieder nach Hause.
Ihr persönlicher Tages-Höhepunkt ist immer dann, wenn der Zug an einem Streckensignal einen kurzen Stopp einlegt und sie in die Gärten der an der Bahnstrecke gelegenen Häuser gucken kann. Denn dort findet eine Parallelwelt für sie statt. Eine rosafarbene Welt mit Glitzer obendrauf. Eine Welt in der sie gerne wieder wohnen würde...

Wieder? Ja, Rachel lebte einst ein wunderschönes Leben an der Seite ihres Ehemannes Tom in einem dieser Häuser an der Bahnstrecke. Das Paar war glücklich miteinander und beschloss irgendwann, dass es an der Zeit wäre, Kinder zu bekommen.
Ab da nahm das Verhängnis seinen Lauf. Rachel wurde und wurde nicht schwanger und sprach aus lauter Frust darüber immer mehr dem Alkohol zu, was Tom dazu veranlasste, sich Trost bei Anna zu suchen. Nun lebt Tom ein - scheinbar - glückliches Leben mit Anna und der gemeinsamen Tochter in dem Haus, in dem Rachel alt werden wollte. Scheinbar glücklich, da die beiden von Rachel gestalkt werden. Immer wieder ruft sie mitten in der Nacht an oder steht plötzlich vor der Tür oder im Garten. Rachel kann nicht begreifen, dass ihre Ehe vorbei ist, Anna hingegen hat Angst vor ihr und vor allem Angst um ihre kleine Tochter. 

Aber da ist noch ein Paar, das von Rachel (nur aus dem Zug heraus) beobachtet wird, auf das sie all ihre Sehnsüchte projiziert, dem sie Namen gibt und ein wunderbares Leben andichtet. Wie es wirklich hinter der Fassade dieser Menschen aussieht, das weiß nur der Leser...

Eines Tages beobachtet Rachel im Garten des Paares etwas, das ihre Traumwelt zum Einstürzen bringt. Und dann überschlagen sich die Ereignisse: Ein paar Tage später liest sie in der Zeitung, dass Megan, die Frau "ihres" Paares als vermisst gilt. Rachel fasst sich ein Herz und geht zur Polizei, um dort eine Aussage zu machen. 
Aber wer glaubt schon einer Alkoholikerin?

Rachel beschließt, der Sache selber auf den Grund zu gehen, verbeißt sich regelrecht in die Idee, den Fall aufzuklären. Und plötzlich wird dieser undurchdringliche Nebel namens "Nichts", der ihr Leben beherrscht, von einer Aufgabe verdrängt. Einer wichtigen Aufgabe. Denn nach und nach kristallisiert sich heraus, dass Rachel dort war, in jener Nacht als Megan verschwand. Sturzbetrunken, wie so oft, mit Blut an den Händen und einem klassischen Filmriss am nächsten Tag. Sie MUSS sich erinnern. Und fängt an, Fragen zu stellen und zu rekonstruieren....

Erzählt wird diese Geschichte aus dreierlei Sicht. Abwechselnd kommen Rachel, Megan und Anna jeweils in der Ich-Form zu Wort und lassen dabei dem Leser mehr als einmal die Haare zu Berge stehen. 
Immer rasanter wird "Girl on the Train", die Ereignisse überschlagen sich und geschickt platzierte Andeutungen lassen ahnen, dass nichts so ist, wie es scheint.
Rachel verstrickt sich in ein Meer aus Lügen, ist dabei aber in guter Gesellschaft, und der Leser lernt, dass ein gründlicher Blick hinter die Fassade Dinge zum Vorschein bringt, die man vielleicht gar nicht wissen möchte.

Das Buch kam leider zu Anfang ein wenig schwerfällig in Fahrt, entwickelte sich dann aber immer mehr zum Pageturner. Daher lautet MEIN FAZIT: 4,5/5 BÜCHEREULEN 





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