WOLKENBRUCHS WUNDERLICHE REISE IN DIE ARME EINER SCHICKSE

von THOMAS MEYER


Diogenes Verlag (www.diogenes.ch)

Erschienen im Februar 2014

ISBN 978-3-257-24280-5

Format: Taschenbuch

Preis: 10,90

Seiten: 288



Zugegebenermaßen ein recht außergewöhnlicher Buchtitel - aber durchaus passend für dieses ebenso außergewöhnliche Buch. 
Ihr kennt das? Ihr nehmt ein neues Buch in die Hand, betrachtet und befühlt das Cover, lest den Klappentext und blättert auf den ersten Seiten herum, um dann wahllos eine Passage zu lesen. Um eine Ahnung zu bekommen, wie das Buch Euch gefallen könnte.
Diese erste Ahnung war bei mir in etwa: "ach herrje!" - weil die Schreibweise absolut ungewöhnlich ist, wovon ich nicht unbedingt ein großer Fan bin. Kleines Beispiel gefällig?

- "Meine mame war den Tränen nahe. Dabei war gerade mol eine halbe schtunde vergangen, seit sie sich von meiner gesunthajt hatte überzeugen können." - Zitat Seite 9

Hier werden einige jiddische Vokabeln in den Text eingewebt, was für mich zunächst den Lesefluss erheblich gestört hat. Allerdings habe ich bereits nach vier Seiten bemerkt, dass ich die Wörter ohne Probleme verstehe (zur Not gibt's aber auch noch ein Glossar am Ende des Romans). Und mit der nicht vorhandenen Großschreibung konnte ich mich dann auch sehr schnell anfreunden. 

Nach etwa zehn Seiten war ich komplett drin. Im Buch, im Schreibstil, in Zürich, in Mottis Leben - kurz: in der Geschichte. 

Denn um Motti geht es hier. Kompletter Name: Mordechai Wolkenbruch. Kosename: Motti.
Motti ist ein junger Jude, der an der Züricher Universität studiert, nebenbei ein wenig im Geschäft seines Vaters arbeitet und ansonsten komplett und rettungslos unter der Fuchtel seiner "mame", also seiner Mutter, steht.
Mutter Wolkenbruch wird zur Über-Glucke, wenn es um ihren Sohn geht und neigt dazu, alles ein wenig arg zu dramatisieren. Vor allem das Thema "Hochzeit". Motti ist ja nun schon 25. Wieso hat er denn noch keine Frau? Was stimmt denn nicht mit ihm? 
Und so wird kurzerhand eine potentielle Heiratskandidatin nach der anderen ausgespäht und ein Date nach dem anderen arrangiert. Dass hier nur Jüdinnen in Frage kommen, versteht sich von selbst. Da sie aber allesamt aussehen wie Mottis Mutter, hat dieser bisher immer dankend abgelehnt. Aber so langsam gehen ihm die Ausreden bei seiner Mutter auch aus. Und da ist noch was anderes: Motti ist verknallt! In seine Kommilitonin Laura. Da gibt es allerdings ein Problem: Laura ist eine Schickse „smile“-Emoticon , die Hosen trägt, Alkohol trinkt und unflätige Wörter in den Mund nimmt. Und was das Allerschlimmste ist: sie ist KEINE Jüdin.
Natürlich würde Mutter Wolkenbruch Laura niemals akzeptieren (Vater Wolkenbruch hat nichts zu melden) und natürlich ist eine spannende, einfallsreiche, kurzweilige und unglaubliche Geschichte somit vorprogrammiert. 

Motti habe ich im Laufe der Geschichte lieb gewonnenen. Er entwickelt sich in seiner Art und Weise und ist immer für eine Überraschung gut, da er oft komplett anders reagiert, als ich gedacht hätte. Gerade mit dem Ende des Romans hätte ich überhaupt nicht gerechnet.
Des weiteren bekommt der Leser einen ausführlichen aber keineswegs langweiligen Exkurs in die Traditionen, Gebräuche und auch Rezepte jüdischer Familien. Knajdl-Rezept von Mama Wolkenbruch inklusive. 
Diese Dame ist es übrigens auch, über die ich mich am meisten amüsiert habe. Wenn sie bei einem arrangierten Date "rein zufällig" mitten in die Szenerie platzt und dann Motti und seine Eventuell-Zukünftige nicht mehr zu Wort kommen lässt - herrlich! 

MEIN FAZIT: der erste Eindruck täuscht eben manchmal doch. Hier gibt es von mir 4,5/5 BÜCHEREULEN und eine klare Leseempfehlung!

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