CASSANDRAS ZORN
von JOANNA KAVENNA
Deutscher Taschenbuch
Verlag (www.dtv.de)
Erschienen im Mai
2014
ISBN
978-3-423-26023-7
Format:
broschiert
Preis: 14,90
Euro
Seiten:
240
Aus dem Englischen von
Kathrin Razum
Titel der
Originalausgabe: Come to the Edge
Völlig übertrieben,
satirisch und bissig - so könnte man diesen Roman am besten beschreiben. Mit einer Hauptprotagonistin, die vor gar nichts zurückschreckt und diversen Nebenprotagonisten, die weder agieren noch
reagieren, sondern einfach nur -mitunter fassungslos- daneben stehen.
Eine Bloggerkollegin
schrieb in einer Rezension zu diesem Buch, dass sie selten ein so dermaßen hässliches Cover gesehen hätte. Nun gut, das liegt immer im Auge des Betrachters. Trotzdem sollte man sich das Bild auf
der Vorderseite genau ansehen, denn es gibt schon einige Hinweise auf das Ende der Geschichte. Einer Geschichte mit einer Idee, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt
ist.
Wir folgen zunächst der
Ich - Erzählerin, die kurioserweise das ganze Buch über namenlos bleibt und auch sonst sehr passiv und unscheinbar ist, in den Norden Englands. Dort hat sie sich, nachdem ihre Ehe den Bach
hinunter gegangen ist (Gatte ging fremd) auf eine Stellenanzeige beworben, in der eine alleinstehende ältere Dame Hilfe auf ihrem Bio Hof suchte. Was sie glaubt, zu erwarten? Eine nette und
hutzelige alte Oma, der sie gemütlich beim Tee vor dem Kamin die Zeitung vorlesen wird. Was sie tatsächlich bekommt? Cassandra!
Cassandra ist nicht nur
eine Öko-Aktivistin, nein, man kann sie guten Gewissens als Öko-Terroristin bezeichnen, die geradezu besessen von ihrer Einstellung ist. Ihr Hof ist ein großer, stinkender Haufen Schrott, auf dem
alles, wirklich ALLES recycelt wird. Umweltbewusstsein ist ja schön und gut, aber Cassandra übertreibt dieses Thema noch maßloser als maßlos. Für die Ich - Erzählerin, die ja nun erstmal
gezwungen ist, auf dem Hof zu bleiben, ist dieser Zustand der pure Horror, für Cassandra ist er selbstverständlich und für den Leser ist er äußerst amüsant und regt doch auch ein bisschen dazu
an, Schadenfreude zu empfinden.
"Denn wie sich zeigte,
als wir das Haus betraten, wohnte Cassandra White in der größten Bruchbude, die ich je gesehen hatte. Einer schlimmeren Bruchbude, als ich sie mir je hätte vorstellen können. Und sie war
keineswegs klein, keine beengende armselige Hütte. Es war eine äußerst weitläufige Bruchbude, Zimmer um Zimmer voller Familienerbstücke, angeschimmelter Uhren und säuerlich riechender
Möbelstücke, die kippelig auf dem alten Schieferboden standen." - Zitat Seite 23 -
Cassandra hält nicht
allzu viel von Luxus. Wer braucht schon Luxus? Sie isst nur das, was sie auf ihrer Farm selber anbaut, benutzt ein Plumpsklo im Garten und findet, dass Körperhygiene und Wäschewaschen völlig
überbewertet werden. Eine Heizung besitzt sie selbstverständlich auch nicht, was gerade in der kalten Jahreszeit und dann auch noch im Norden Englands natürlich eine besondere Freude
ist.
Ein absoluter Dorn im
Auge sind ihr die reichen Städter, die es chic finden, sich in der idyllischen Gegend, in der Cassandra ihren Hof hat, protzige und pompöse Villen hinzubauen. Ferien- oder Wochenendhäuser, die
dann aber gar nicht genutzt werden. Was Cassandra auf eine Idee bringt. Auf eine ziemlich dumme Idee. Die gar nicht gut gehen kann.....
Cassandra plant ihr
"Neuansiedlungsprojekt", was nichts anderes bedeutet, als dass sie in die leer stehenden Häuser einbricht und dort die Verarmten und Alten ihrer Gegend einquartiert. Angeblich mit Einverständnis
der Hausbesitzer.
Und nun kommt auch
endlich mal unsere Ich - Erzählerin zum Zuge. Eigentlich wollte sie ja schon am ersten Tag der stinkenden Kloake, die Cassandra "Zuhause" nennt, den Rücken kehren, irgendwie schafft sie aber
nicht den Absprung.
Cassandra
ist unverschämt und gehässig ihr gegenüber. Und haushoch überlegen, was Manipulationen angeht. Und so wird die Namenlose zur Handlangerin und erledigt die eigentliche Drecksarbeit, also so
ziemlich alles, was kriminell ist. Warum sie das macht weiß sie selber nicht. Sie kann Cassandra nicht besonders gut leiden und empfindet dieses Projekt von Anfang an als den Irrsinn, der
es ist. Aber sie kann sich Cassandras Sog nicht entziehen und will sich selbst keine Niederlage eingestehen.
Ich würde dieses Buch
als eine Mischung aus modernem Robin Hood - Märchen (in dem Robin eine völlig Verrückte mit utopischen Visionen und Robins "Gang" zusammen nicht viel cleverer als eine Scheibe Toast ist) und eine
satirische und zugleich kritische Gesellschaftsstudie über den Konsumwahn der Menschheit beschreiben.
Außergewöhnlich, absolut
unterhaltsam und vom Schreibstil der Autorin her wirklich angenehm zu lesen.
MEIN FAZIT lautet hier:
4/5 BÜCHEREULEN
P.S. ....und ein
fulminantes Finale gibt es natürlich auch. Bei DER Protagonistin war ja schließlich nichts anderes zu erwarten.
Kommentar schreiben