TANGO FÜR EINEN HUND

von SABRINA JANESCH


Aufbau Verlag (www.aufbau-verlag.de)

Erschienen im Juli 2014

ISBN 978-3-351-03308-8

Format: gebunden

Preis: 19,95 Euro

Seiten: 303




Also, das hatte sich Ernesto Schmitt ja nun wirklich ganz anders vorgestellt. Eigentlich war sein Sommer schon komplett verplant gewesen mit Filmemachen in Argentinien, um anschließend mit Standing Ovations an der Filmhochschule aufgenommen zu werden. Stattdessen recht er nun das Laub vor einem Altenheim in der tiefsten Pampa zusammen. Allerdings nicht in Argentinien sondern in der Lüneburger Heide. Um ihn herum keine feurigen Gauchos sondern ein plattdeutsch schnackender und ziemlich verschrobener Aufseher. 
Aufseher? Ja, richtig! Ernesto hat Sozialstunden abzuleisten, da er ja unbedingt den großen Max markieren musste, um seiner Angebeteten Frida zu imponieren. Hat aber nichts gebracht. Außer besagter Sozialstunden eben.
Ernesto leidet gerade ein wenig unter Weltschmerz und findet alles ziemlich doof. Frida, die immer noch mit diesem bekloppten Typen zusammen ist, seine Eltern, die ihm erstens diesen bescheuerten Vornamen gegeben haben und zweitens ohne ihn in den Liebesurlaub nach Marokko abgedampft sind und die Sozialstunden sowieso.

Ernesto, der Hauptprotagonist und Ich-Erzähler dieses Romans ist 17 und denkt, er hätte die Weisheit mit der Schöpfkelle inhaliert. Clever ist er wirklich, gar keine Frage, zudem aber noch ein absolutes Weichei und mit einem knochentrockenen Humor ausgestattet. Diese Mischung macht ihn zu meinem persönlichen Protagonisten des Monats. Wenn Ernesto erzählt - und er hat viel zu erzählen - springen einen grandioser Wortwitz und zahlreiche Pointen geradezu an. Herrlich!

Die Sozialstunden sollen in Ernestos persönlicher Skala des Unzumutbaren allerdings erst der Anfang sein. Denn eines Tages steht die entfernte Verwandtschaft vor der Tür: Onkel Alfonso aus Argentinien (ja, da wäre Ernesto jetzt auch gerne). Im Gepäck 50 kg Fleisch, Astor Garcilaso de la Luz y Parra und eine Mission. Bei Astor mit dem langen Namen handelt es sich um einen Uruguayischen Hirtenhund. Riesengroß, sehr beängstigend, einer der letzten seiner Rasse und mit dem Herz eines tapsigen Welpen ausgestattet. 
Die 50 kg Fleisch? Na, Astor hat ja schließlich auch Hunger.
Die Mission? Onkel Alfonso will Karmapunkte gutmachen. Als zuverlässiger Mitarbeiter am Cargo Terminal des Flughafens von Buenos Aires unterlief ihm kurz vor der Rente ein riesengroßes Missgeschick. Er sollte besagten Astor verschiffen, der auf einer deutschen Hundeschau quasi seine Rasse vor dem Aussterben retten sollte. Astor entwischte jedoch und Alfonso schnappte sich die erstbeste Straßentöle und verschiffte diese statt Astor. Astor hingegen machte sich ein schönes Streunerleben in Buenos Aires - bis er Alfonso über den Weg lief, eingefangen wurde und nun mit unwesentlicher Verspätung endlich auf diese verdammte Hundeschau soll. In Bad Diepenhövel. Und Ernesto soll Hund und Teilzeithalter hinbringen. 

Kommt man vorher schon aus dem Lachen kaum noch 'raus, beisst man nun fast in die Tischkante. Ernestos erste Begegnung mit Astor ist nicht besonders glücklich, denn er hat Angst vor Hunden und fällt promt in Ohnmacht. Natürlich weigert er sich, Onkel und Köter irgendwo hin zu bringen. Und natürlich lässt Alfonso nicht locker, bis er es doch macht.
Ausgestattet mit dem Nötigsten für ein Überleben in der Wildnis machen sich die drei in einem scheintoten Auto nun also auf, die 350 km nach Bad Diepenhövel zu bezwingen. Im Nacken die Zeit, Nerven, die kurz vor'm Zerreißen sind, die Polizei und Herr Kramer von der Jugendgerichtshilfe. 

Wer nun denkt, in der Lüneburger Heide geht es langweilig zu, der wird in diesem Roman eines Besseren belehrt. Unglaublich, welch skurrile Gestalten und außergewöhnliche Begebenheiten in dieses Buch passen, ohne dass es überladen wirkt! Denn trotz eines regelrechten Feuerwerks an Witzen gibt es hier auch leise Töne zwischendurch. Aus Fremden werden Verbündete und Freunde, Ernesto lernt, auch mal über den eigenen Tellerrand zu schauen und wächst dabei über sich hinaus und Alfonso ist der ruhende Pol mit seiner südamerikanischen Gelassenheit. 

Eine Sommergeschichte, wie sie schöner nicht sein könnte. Ungewöhnlich, herzlich und voller Wortwitz. Oder wie Onkel Alfonso sagt: "Das ganze Leben ist ein Tango."
Absolute Leseempfehlung! 

MEIN FAZIT: 5/5 BÜCHEREULEN