SEHNSUCHT IST EIN NOTFALL

von SABINE HEINRICH


Kiepenheuer & Witsch Verlag (www.kiwi-verlag.de)

Erschienen im März 2014

ISBN 978-3-462-04621-2

Format: broschiert

Preis: 14,99 Euro

Seiten: 288


"An einem sonnigen Tag im Januar gingen wir ans Meer und schrien vor Glück."
Ich liebe diesen Satz! Er ist randvoll mit Harmonie, Hoffnung und Lebensfreude, fast so wie der Rest des Romans. Dort gibt es allerdings auch noch jede Menge Zweifel, Trauer und Resignation - eine gesunde Mischung, die dieses Buch zu einem sehr mitreißenden Leseerlebnis macht.
"Das Meer" liegt in diesem Fall an der Küste Elbas und "wir" sind Eva, Mittdreißigerin und ihre Oma, 79. Und die beiden sind mitnichten Italienerinnen.
Für die beiden ist es ein langer und schwieriger Weg nach Elba - für den Leser jedoch könnte er auch noch länger sein, so dermaßen gefangen nimmt einen diese Geschichte, dass man sich wünscht, sie würde nicht aufhören. 
Eva wird an Silvester von ihrer Oma mit der Neuigkeit, dass Oma die Faxen dicke hat und Opa verlässt, komplett überrumpelt. Eva wuchs bei den Großeltern auf und hatte dort eine zwar entbehrungsreiche aber sehr glückliche Kindheit. Zur Oma hat sie ein besonders enges Verhältnis und ist grundsätzlich sofort zur Stelle, wenn es Probleme gibt. So auch jetzt. Oma und Opa haben sich nach 60 Jahren Ehe nichts mehr zu sagen und Oma will komplett neu anfangen. Sehr sehr mutig!
Eva ist eigentlich mit ihrem Leben zufrieden. Sie liebt ihren Job als Physiotherapeutin und sie liebt ihren Freund Johannes, mit dem sie schon seit mehreren Jahren zusammen ist. Wie gesagt: eigentlich! Denn da ist immer wieder dieses Stimmchen in Evas Kopf, das Kinder und solide Verhältnisse will. Johannes hingegen will sein Leben mit Reisen und ohne Verpflichtungen wie Kinder genießen. Johannes ist ein lieber Kerl, der aufmerksam ist und Eva alle Freiheiten lässt. Trotzdem macht sich langsam aber sicher bei ihr Unzufriedenheit breit.
Und dann ist da Tobias, der das hat was Eva sich wünscht: einen zauberhaften Sohn und die Bereitschaft zur Ehe und Familie. Und er vergöttert Eva. 
Die beiden finden sich sehr schnell in einer heftigen Affäre wieder und Eva weiß schon bald nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Tobias oder Johannes? Johannes oder Tobias?
Oma wird von Opa geradezu gemobbt und hält die Zeit, bis sie ihre neue Wohnung beziehen kann, nicht mehr aus und ist dabei so herzzerreißend beschrieben, dass man sie am liebsten in den Arm nehmen möchte. Ein unglückliches kleines Häufchen Elend.
Da Oma noch nie am Meer war, wird kurzerhand beschlossen, die Zeit bis zum Umzug mit einem Kurzurlaub auf Juist zu überbrücken. Gesagt, gefahren. Eva und Oma kommt allerdings schnell der Gedanke, dass es im Januar auf Juist nicht besonders warm ist und daher wird kurzfristig das Reiseziel umdisponiert: ab nach Elba!
Und so geht diese eindrucksvolle Generationen-Road-Novel los. Eva ist genervt von Oma, Oma versteht Evas Problem nicht, Oma gibt gute Ratschläge, Eva ist immer noch genervt, Eva ist gerührt, Eva ist glücklich, Eva ist traurig, Eva ist überfordert. 
Oma ist der ruhende Pol, sowohl für den Leser als auch irgendwann für Eva. Bei Oma geht alles langsamer aber sie macht sich sehr ernsthafte Gedanken und gibt kluge Ratschläge. Das muss auch Eva bald einsehen und ihre Gefühle zu dieser Frau, die sie großgezogen hat und die stets für sie da war, werden immer tiefer. Waren zu Beginn des Romans noch die Männer das Hauptthema, ist es nun die Beziehung und Zuneigung zwischen Eva und Oma. Dieser Themenwechsel geht schleichend und unbemerkt vonstatten und ist einfach genau richtig. 

Sehr ergreifend. Gefühlschaotisch aber nachvollziehbar. Einfach schön!
Sabine Heinrich hat hier einen Roman geschrieben, der mich mitten ins Herz getroffen hat.

MEIN FAZIT: 4,5/5 BÜCHEREULEN

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