SOMMER MIT EMMA

von BORGER & STRAUB

 

Diogenes Verlag (www.diogenes.ch)

Erschienen im Februar 2011

ISBN 978-3-257-24047-4

Format: Taschenbuch

Preis: 11,90 Euro

Seiten: 416

 

 

Es hätte eine warmherzige und liebevolle Familiengeschichte werden können. Zwei Wochen Hausbooturlaub mit den Eltern, der Tochter, dem Sohn und dem besten Freund des Sohnes. Idylle pur in der schönen englischen Landschaft. Ein Roman wie eine warme Sommernacht.

 

Wie gesagt: "hätte"! Denn wer das Autorinnenduo Borger & Straub kennt, weiß, dass man hier alles erwarten kann - nur keine Idylle. Und natürlich haben wir hier keine Bilderbuchfamilie vor uns, sondern eine mit Ecken und Kanten.

Luisa, die Mutter, ist ein Arbeitstier, das den Unterhalt der Familie mit einer gut gehenden physiotherapeutischen Praxis sichert und auch sonst den Laden schmeißt. Selbstverständlich gilt das auch für den Urlaub. Alles soll perfekt und harmonisch sein, also liegt das Putzen, Kochen und Einkaufen in Luisas Hand. In Stresssituationen reagiert sie leicht über und wird zur Zicke, was für genügend Zunder in der Geschichte sorgt. Außerdem war sie nicht immer ehrlich. Weder zu sich selbst noch zu ihrer Familie.

Daniel, der Vater, ist ein Künstler und ein wandelndes Klischee: viel träumen aber nichts erreichen. Mit seinen Bildern verdient er so gut wie nichts und so bleibt ihm auch nichts anderes übrig, als sich von Luisa aushalten zu lassen, was ihn zu einem Menschen voller Selbstzweifel werden liess. Noch dazu steht seine Beziehung mit Luisa schon lange unter keinem glücklichen Stern mehr. Trotzdem wird er als ein sympathischer Mann beschrieben, der vor allem seinen Kindern gegenüber immer fair ist.

Lea, die 14-jährige Tochter, ist ein sehr stilles Mädchen mit ein paar Pfund zuviel auf den Rippen. Sie ist gerne für sich und schreibt stundenlang in ihr Tagebuch. Kurz: ein Mädchen, das nicht auffallen möchte und jedem Ärger aus dem Weg geht.

Jasper, der 17-jährige Sohn, findet alles doof. Eltern doof, Schule doof, Schwester doof, Hausbooturlaub erst recht doof. Er rebelliert indem er heimlich raucht und kifft, Alkohol trinkt und seinen Eltern und Lea gegenüber pampig und unverschämt ist. Im Grunde genommen ist er aber nur unsicher und unglücklich verliebt.

Can, Jaspers bester Freund, hat zwar zugestimmt, auf diesen Trip mitzukommen, fühlt sich aber meistens ziemlich deplaziert. Er mag Lea sehr gerne und kann Jaspers Verhalten ihr gegenüber gar nicht gut finden. Überhaupt merkt er, dass die Freundschaft zu Jasper ihm langsam entgleitet, dass die beiden Jungs sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Und er hat ein Geheimnis vor Jasper. Ein Geheimnis, das dieser niemals herauskriegen darf.

 

Und dann ist da noch Emma. Emma ist 14, Amerikanerin, bildhübsch und megaschlank, ein Sonnenschein - und Daniels Tochter. Entstanden bei einem Seitensprung. Luisa weiß seit einigen Jahren von Emmas Existenz und der Stachel des Verrats sitzt sehr sehr tief. Dass sie nun zugestimmt hat, Emma mit auf diesen Urlaub zu nehmen, derweil Emmas alkoholkranke Mutter ihren Umzug von San Diego nach Köln regelt, kann Luisa im Grunde selber nicht so richtig fassen. Daniel freut sich darauf, endlich Zeit mit Emma verbringen zu können, hat aber auch eine gehörige Portion Angst davor. Lea ist der Schwester gegenüber völlig unvoreingenommen und malt sich eine tolle Zeit aus, Jasper findet sowieso alles doof und Can hält sich wohlweislich aus allem heraus. Emma kann sich jedoch nicht lange verstellen und aus dem anfangs so netten Mädchen wird eine Exzentrikerin, eine Selbstdarstellerin, eine falsche Schlange. Jedoch eine sehr clevere falsche Schlange, die Wahrheiten ans Tageslicht zerrt und geschickt für ihre Zwecke einzusetzen weiß.

 

Natürlich kann es in dieser Konstellation nicht lange gut gehen, denn nicht nur Emma verursacht Ärger. Wird zunächst noch der Schein gewahrt, wird es schon bald ungemütlich.

Gewitterwolken ziehen auf, Ärger liegt in der Luft, Geheimnisse kommen ans Licht. Es wird falsch gespielt, intrigiert, resigniert, gelogen und betrogen - und schließlich steuert das Ganze auf ein böses Ende zu. Allerdings ein ganz anderes Ende, als der Leser es erwartet.

 

Dem Autorinnenduo Borger & Straub ist es hier meisterhaft gelungen, soviel zunächst subtile Spannung, die sich dann allerdings stetig steigert, in diese Geschichte zu packen, daß man vom ersten Satz an dabei ist. Mehr erfahren möchte. Wissen möchte, ob sich sämtliche (mitunter schlimmen) Vermutungen bestätigen. Man ist gefesselt und kann sich in das keineswegs abwegige Geschehen bestens hineinversetzen.

Da das Buch aus verschiedenen Sichtweisen erzählt ist, ergreift man als Leser schnell Partei und hat seine Lieblinge und seine Hass-Protagonisten nach einigen Seiten auserkoren.

Ein flüssiger und mitreißender Schreibstil rundet das Ganze ab.

 

MEIN FAZIT: Ein Buch, das man in einem Rutsch durchlesen möchte.

5/5 BÜCHEREULEN

Kommentar schreiben

Kommentare: 0