DIE LEWINS

von GITA LEHR

 

Eichborn Verlag (www.eichborn.de)

Erschienen im Januar 2004

ISBN 978-3-8218-0939-6

Format: gebunden

Preis: verschieden (gebrauchte Ausgaben)

Seiten: 392

 Als ich dieses Buch vor einiger Zeit in einem öffentlichen Bücherschrank getauscht habe, hatte ich keine Ahnung, was für eine vielschichtige, abwechslungsreiche, komplett andersartige und vor allem dramatische Geschichte mich hier erwarten würde. Laut Klappentext tippte ich auf eine interessante Familiengeschichte. - Weit gefehlt, denn es war viel mehr als das!

-"Wir waren eben die Lewins. Wir waren die Mischpoke, die weit draußen in dem alten Kasten aus bröckelndem Sandstein lebte und nichts anderes tat, als immer wieder aufzufallen. Auf den Punkt gebracht hieß das nichts weiter, als dass keiner etwas mit uns zu tun haben wollte. Wenigstens in diesem Punkt waren sich alle einig."- Zitat Seite 5

Dieser Roman spricht mit Sicherheit nicht jeden an, da es hier um eine Familie weit jenseits aller Normen und zudem noch um eine ganze Reihe negativer Themen geht. Gerade hier hätte es ein bisschen weniger übrigens durchaus auch getan.

Die Familie Lewin ist, nett ausgedrückt, völlig durchgeknallt und chaotisch.
Der jüngere Sohn und Ich-Erzähler Leander befindet sich mitten in der Pubertät und möchte am liebsten unsichtbar sein.
Seine Zwillingsschwester Wanda ist ein durchtriebenes Luder.
Emma, die Jüngste der Familie, will nicht wachsen und kommuniziert mit Geistern.
Jules, der älteste Bruder, ist nach einem Schicksalsschlag stumm und künstlerisch sehr begabt.
Maud, die blinde Großmutter, scheint jedem auf den Grund seiner Seele blicken zu können und steht im Verdacht, der Hexenkunst mächtig zu sein.
Elisabeth, die Mutter, hat den Überblick über ihr Leben, ihre Familie und die Väter ihrer Kinder schon längst verloren.
Und Olympe, das Kindermädchen, bessert die Haushaltskasse mit nicht ganz alltäglichen Methoden auf.

-"Hätten sich die Frauen in meiner Familie nicht dazu entschlossen, mich zu schonen, hätte ich meine Jugend in diesem Haus nicht überlebt."- Zitat Seite 176

Leander schließt man sofort ins Herz, denn er erzählt die Geschichte der Familie Lewin mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und Selbstironie. Und zu erzählen hat er eine Menge. Immer mit einem Augenzwinkern und in eine schöne Schreibweise verpackt.
Es passiert viel, sehr sehr viel im Laufe der Jahre bei den Lewins, daher kommt nicht ein einziges Mal beim Lesen Langeweile auf. Denn der Roman wirkt niemals überladen. Im Gegenteil: man möchte einfach immer mehr und immer weiter lesen.
Es gibt einige Stellen, die den Leser schmunzeln oder laut auflachen lassen - andererseits ist dieses Buch allerdings auch gespickt mit negativen und traurigen Themen. Inzest, Aids, Selbstmord, Krebs, Tod - all dies wird in dieser Geschichte untergebracht. Das Besondere daran ist, dass Leander auch hier seinen Zynismus beibehält, jedoch ohne respektlos zu werden. Ein paar mehr positive Begebenheiten wären allerdings meiner Meinung nach trotzdem wünschenswert gewesen.
Anzügliche Themen wie zum Beispiel Inzest und Homosexualität werden in keinster Weise reißerisch oder schmuddelig erzählt. Sie fügen sich einfach ganz normal in die Geschichte und sind ein Teil davon.

Gerade was das Thema Inzest angeht, gibt es viele negative Stimmen in diversen Rezensionen zu diesem Buch. Ich kann dazu nur sagen: Hut ab, wie offen und gleichzeitig dezent und in einer wunderbaren Schreibweise die Autorin diese Hürde genommen hat. Mutig! Definitiv!

MEIN FAZIT: eine größtenteils traurige und skandalöse Geschichte so locker 'rüber zu bringen, dazu gehört schon was. 4/5 BÜCHEREULEN

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