LASSE
von VERENA FRIEDERIKE HASEL

Ullstein Verlag (www.ullstein.de)
Erschienen im August 2015
ISBN 978-3-5500-8093-7
Format: gebunden
Preis: 18,00 Euro
Seiten: 208



Ein sehr ernst zu nehmendes Thema, verpackt in eine psychologisch raffiniert ausgefeilte Geschichte erwartet den Leser hier. Eine Geschichte, in der es um die Frage geht, warum eine Mutter ihr Kind nicht lieben kann. Das Kind, auf das sie sich neun Schwangerschaftsmonate lang unbändig gefreut hat und das nun so gar nicht ihren Vorstellungen entspricht. Eine Geschichte, die voller Enttäuschungen und Bemühungen ist, aber auch voller Zwänge und der ständigen Angst vor dem Alleinsein.

Wer sich für die menschliche Psyche interessiert, dem sei dieses Buch empfohlen, denn es ist erstaunlich, welche Verwandlung die Hauptprotagonistin Nina in dieser Geschichte durchmacht. Absolut realistisch schätze ich ihren Charakter und auch ihre (mitunter wirklich krasse) Handlungsweise ein. Und so war sie für mich als Leserin zunächst nervig, dann tat sie mir leid, dann hatte ich Verständnis für sie ....und dann war ich völlig vor den Kopf gestossen. Denn eigentlich will man das Ende nicht wahr haben, sämtliche Nackenhaare stellen sich senkrecht und man kann nur noch erschüttert auf die Seiten blicken. Und schlagartig wird einem klar, dass hier ein viel viel größeres Problem vorliegt, als zunächst vermutet.

Nina wird als jung, hübsch und eigentlich begehrenswert beschrieben. Eigentlich! Denn schon auf den ersten Seiten wird dem Leser klar, dass diese Frau bereits zum Klammeraffen mutiert, bevor eine etwaige Beziehung überhaupt richtig anfängt. Sobald ein eventueller Partner einen Hauch von möglichem Interesse zeigt, geht Nina in die Vollen, möchte gefallen und startet augenblicklich die Sex-Offensive, obwohl sie sich vor dem Mann ekelt und ihn auch gar nicht so besonders attraktiv findet. Sie ist offenbar der Auffassung, der Mann erwartet das so und verfällt ihr nun mit Haut und Haaren, der Mann kommt jedoch eher zu dem Schluß: "War nett aber 'ne Schlampe ist sie trotzdem.". Und dem Leser ist Nina auf Anhieb unsympathisch. 

Lennart, Ninas "Opfer", wird sie nicht mehr los, denn wie weiter oben schon beschrieben klammert Nina in dieser "Beziehung" und erniedrigt sich dabei selbst ein ums andere mal. Dann aber kristallisiert sich nach und nach heraus, warum sie auf Teufel komm raus eine intakte und feste Beziehung anstrebt: Ihren Vater kennt sie überhaupt nicht und von ihrer Mutter wurde sie erst schwer vernachlässigt und schließlich verlassen. Verlassen im übertragenen Sinne, denn Ninas Mutter begann Selbstmord, als diese ein Teenager war. Dem Leser wird nun klar, dass eine eigene Familie Ninas größtes Glück wäre. Und plötzlich versteht man sie, hat Mitleid mit ihr und wünscht ihr nur das Beste.

Als Nina schließlich schwanger ist, schwebt sie auf Wolke Sieben - im Gegensatz zu Lennart. Der will dieses Kind nicht und Nina will er auch schon längst nicht mehr. Er fordert eine Abtreibung, worauf Nina sich allerdings nicht einlässt. Sie entscheidet sich für das Kind und akzeptiert plötzlich auch die Trennung von Lennart. 
Ihr Muttersein malt sie sich in den schönsten Farben aus: Lasse soll der Junge heißen und mit ihm wird sie viel erleben, durch ihn wird sie neue Kontakte und Freundschaften knüpfen. Denn Freunde - die hat Nina nicht. Niemanden, bei dem sie sich ausweinen kann, der ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. Man merkt wie einsam sie ist und wundert sich, dass sie nun voller Tatendrang in ihrer Mutterrolle aufgeht.

Aber dann kommt natürlich alles anders.....
Als Ninas Junge geboren wird, ist sie vom ersten Anblick an enttäuscht, denn der Kleine ist dick und hässlich und sieht überhaupt nicht so aus, wie sie ihn sich vorgestellt hat. Deshalb bekommt er auch nicht den Namen Lasse sondern Felix. Als Strafe, weil er nicht ihren Wünschen entspricht? Als Nina jedoch das ganze Krankenhaus verrückt macht, da sie der Meinung ist, man hätte ihr Kind vertauscht, regt sich beim Leser der erste Verdacht, dass mit dieser Frau ganz erheblich etwas nicht stimmt.

Nun geht der Mutteralltag für Nina los und man muss ihr wirklich zugute halten, dass sie sich bemüht, alles richtig zu machen. Dass sie allerdings immer und überall allein dasteht, macht betroffen. 

Sie versucht, in Kontakt mit anderen Müttern zu kommen, bleibt aber immer nur die Außenseiterin, die überall aneckt. Für das allerkleinste Bisschen Aufmerksamkeit ist sie unendlich dankbar, nur um daraufhin auch bald schon wieder enttäuscht zu werden. Dass sie ihr Kind niemals so liebt und vergöttert wie die ganzen Übermütter um sie herum, findet sie selber merkwürdig und bemüht sich daraufhin noch mehr. Obwohl Felix sie mit seinem Geschrei nervt und obwohl sie sich des Öfteren weit weg von ihm wünscht.

Längst ist dem Leser klar, dass Nina vor lauter Stress und Druck, den sie sich selber macht, und vor lauter Einsamkeit nicht mehr ein noch aus weiß und dass die Geschichte unweigerlich auf ein böses Ende zusteuert. 
....und als ob das nicht schon genug wäre, hat mich das, was nach diesem Ende kommt, erst richtig erschüttert. Denn nun wird das ganze Ausmaß der Katastrophe klar......

Dieses Buch ist eines von denen, die betroffen machen und nachhallen. Die vor allem zum Nachdenken anregen.
Gebettet in einen angenehm zu lesenden Schreibstil, der mitunter - der Situation angepasst - recht derbe ist, liess sich "Lasse" sehr flüssig weglesen und hätte auch gerne noch ein paar Seiten länger sein können.

MEIN FAZIT lautet hier: 4/5 BÜCHEREULEN 

 

 

 

 

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