SCHNUCKEN GUCKEN

von ANDREA HACKENBERG

 

Knaur Taschenbuch Verlag der Droemerschen Verlagsanstalt (www.knaur.de)
Erschienen im Februar 2015
ISBN 978-3-426-51426-9

Format: Taschenbuch

Preis: 8,99 Euro

Seiten: 336
 
Wer hat eigentlich jemals behauptet, dass die Lüneburger Heide eine total langweilige Gegend ist, in der man allenfalls (Heid)Schnucken (an)gucken kann? Die Autorin Andrea Hackenberg belehrt ihre Leser nun bereits zum zweiten Mal eines Besseren und ich persönlich hoffe auch noch auf ein drittes Mal, denn es heißt doch so schön: aller guten Dinge sind drei.

Mit "gut" kann man diesen Roman allerdings nicht bewerten, denn dieses Wort wird ihm in keinster Weise gerecht.
Letztes Jahr bin ich im Internet über Andreas ersten Roman "Abgeferkelt" gestolpert, eine Geschichte rund um eine Zeitungsredaktion im kleinen fiktiven Ort Grümmstein in der Lüneburger Heide. "Abgeferkelt" hat mich sehr begeistert, da die Autorin es geschafft hat, mit witzigen und schrägen Charakteren, ausgefallenen Situationen, einer Liebesgeschichte (natürlich) und auch leisen Tönen zwischendurch ein sehr stimmiges großes Ganzes zu schaffen, das ich nur weiterempfehlen kann.

Und nun, endlich, heißt es "Grümmstein reloaded". Denn in "Schnucken gucken" geht es wieder in das Örtchen in der Heide. Lange hatte ich mich auf diese Reise gefreut - und dann war sie viel zu schnell vorbei. Denn wir haben die Nacht zum Tag gemacht, die Schnucke auf pinkem Hintergrund und ich.

In "Schnucken gucken" trifft man zwar erneut auf Kati und Jonas, die Hauptprotagonisten aus "Abgeferkelt". Die beiden haben aber nur Nebenrollen. Will heißen: man kann Andreas Bücher unabhängig voneinander lesen.

Im aktuellen Roman lernt der Leser Billi Sander kennen, die Rächerin der Schwachen, der Ausgebeuteten und der Umwelt. Billi ist das, was man heutzutage als radikale Öko-Aktivistin bezeichnen würde. Keine Ankettung an Eisenbahnschienen ist ihr zu ungemütlich und kein Einbruch in eine Pelztierfarm ist ihr zu kriminell, um für ihre Gesinnung zu demonstrieren. Dass Billi sich von einem Schlamassel in den nächsten reitet, dürfte somit klar sein. Und so verliert sie (durch einen wirklich dummen Zufall) ihren Job bei einer hoch angesehenen Berliner Zeitung und muss wohl oder übel zurück ins heimatlich Nest. Nach Grümmstein. Zu ihrer Mutter (Ex-Softporno-Star aus den 70ern) und ihrer Schwester (krankhaft kleptomanisch) und ihrem Bruder (durchsetzungsschwacher Bürgermeister). Wenn Ihr jetzt allerdings denkt, nur in Billis Familie haben alle einen Sockenschuss - Ihr kennt den Rest der Grümmsteiner Bevölkerung noch nicht. Landleben pur: da wird gelästert und gehetzt, da wird konkurriert und abgeschleppt, belogen und betrogen und da werden Leichen im Keller versteckt, dass die Schwarte kracht.
Was allerdings das Schlimmste ist: Billis alte Flamme Manolo arbeitet bei der Grümmsteiner Zeitung. Ihn kann sie seit der einen gemeinsamen Nacht vor 17 Jahren nicht vergessen und will ihm auf gar keinen Fall begegnen. Dumm nur, dass ihre Mutter ihre Kontakte spielen lässt und Billi eine Stelle bei genau dieser Zeitung verschafft....

Eigentlich ist das ja schon Stoff genug für eine kurzweilige Geschichte. Genug gibt's aber bei Andrea Hackenberg nicht, da wird immer noch eins nachgelegt: eine etwas haarige Angelegenheit beim Frühlingsball, der eher unschöne Ausgang der Eröffnung eines Wellness-Tempels, die genaue Erklärung, wie man bei Facebook ein Video postet - und die dazugehörigen Folgen, Reptilienfetisch, Hühner-KZ, der Konkurrenzkampf zweier Friseurinnen, Leichen verstecken für Anfänger ......die Liste ist lang und die Fantasie der Autorin scheinbar unerschöpflich.

Und trotzdem ist das Buch in keinster Weise überladen. Im Gegenteil! Die Ereignisse greifen ineinander über, sind aufeinander abgestimmt und niemals verwirrend. Noch dazu in einem locker-luftigen Schreibstil, so dass man aus dem Dauergrinsen nicht mehr herauskommt.
Das Gesamtpaket stimmt einfach und ist eine absolute Leseempfehlung meinerseits. Denn es ist einfach grandios. Grandios witzig, grandios ausgefallen, grandios verrückt und, hach, ja,...auch ein kleines bisschen romantisch.

MEIN FAZIT: 5/5 BÜCHEREULEN - mit einem lauten "Määäähhhh" obendrauf

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Kommentare: 1
  • #1

    Bärbel Wintrath (Samstag, 11 Juli 2015 20:16)

    Nachdem ich abgeferkelt gelesen habe mußte ich einfach auch zu Schnucken gucken greifen.
    Ich habe heute Morgen damit begonnen und bin bis jetzt nicht aus dem Dauergrinsen herausgekommen. Herrlich! Es ist wirklich witzig und grandios geschrieben. Bevor ich nun die letzten Seiten von diesem Buch lese, muß ich mich einfach für diese Leseempfehlung bedanken.
    Ich muß jetzt weiterlesen und auf jeden Fall bekommt dieses Buch 5 Büchereulen und ganz viele Määääääähhhhh obendrauf.