84 CHARING CROSS ROAD
von HELENE HANFF

Atlantik Verlag des Hoffmann und Campe Verlags (www.atlantikverlag.de)
Erschienen im März 2014
ISBN 978-3-455-60005-6
Format: gebunden
Preis: 14,99 Euro
Seiten: 160

Aus dem amerikanischen Englisch von Rainer Moritz
Titel der Originalausgabe: 84 Charing Cross Road 



Bücher über Bücher. Warum lösen sie so einen unwiderstehlichen Haben-wollen-Drang bei uns Büchereulen aus? - Ganz einfach: Weil es in diesen Büchern um wieder andere Bücher geht. Um die Leidenschaft für's Lesen im Allgemeinen und über den ein oder anderen Spleen im Bezug auf Bücher im Besonderen. Und auch wenn es in diesen Büchern um Autoren und deren Werke geht, von denen man vielleicht noch nie etwas gehört hat, liest man sie trotzdem gerne. Um sich Anregungen zu holen und die Gewissheit zu haben, dass man mit seiner Leidenschaft in guter Gesellschaft ist.

Dieses Buch beinhaltet eine wahre Geschichte. Es gibt den tatsächlich stattgefundenen Briefwechsel zwischen der New Yorkerin Helene Hanff und den Angestellten einer kleinen Londoner Buchhandlung wieder. 84 Charing Cross Road wurde erstmalig 1970 veröffentlicht, die Briefe lassen uns aber noch weiter in der Zeit zurückreisen: Im Oktober 1949 las die nicht gerade gut betuchte Drehbuchautorin Helene Hanff in der Saturday Review of Literature von der kleinen englischen Buchhandlung Marks & Co., die auf antiquarische und nicht mehr lieferbare Bücher spezialisiert war. 
Helene, die einen ziemlich ausgefallenen Geschmack in Sachen Bücher hatte, schrieb sofort einen Brief an Marks & Co. in der 84 Charing Cross Road in London, um auf gut Glück einige Bücher zu bestellen. Und damit war der Grundstein zu einem wunderbaren Briefwechsel gelegt....

Denn Frank Doel, ein sehr bemühter Angestellter bei Marks & Co. fand auf Anhieb Gefallen an den Briefen dieser leicht exzentrischen und mitunter frechen Amerikanerin und konnte meistens aufstöbern, was Helene an Büchern bestellte. Diese schrieb zwar bisweilen in einem bissigen Tonfall, trotzdem kann man von Anfang an zwischen den Zeilen ihre Herzlichkeit und Bücherleidenschaft erkennen. Ihre überschwängliche Begeisterung über besonders schöne Bücher und ihr Zorn über verhunzte Übersetzungen ist einfach herrlich. Denn Helene war vom amerikanischen Büchermarkt nicht gerade qualitätsverwöhnt und daher völlig aus dem Häuschen über die hochwertigen Bücher, die aus England zu ihr kamen.

Sie bestellte und bestellte und Frank schickte und schickte. Waren es am Anfang rein sachliche Briefe allein zu dem Zweck, Bücher zu kaufen, bzw. deren Versendung zu bestätigen oder eine Rechnung zu stellen, wurde der Ton immer freundschaftlicher. Man hatte sich noch nie gesehen aber trotzdem mochte man sich einfach.

Dank Franks umfangreichen Wissen und seines großen Engagement konnte Helene, die ich als sehr impulsiv einschätze, fast jeder Wunsch erfüllt werden. Um etwas zurückzugeben, fing sie irgendwann an, mit den Dollarnoten für die Bücher, die sie ihren Briefen beigelegte, auch Lebensmittelpakete nach England zu schicken. Da in diesem Land nach dem Krieg bis in die 50er Jahre hinein die Lebensmittel streng rationalisiert waren, wurden Helenes Pakete natürlich mit Ehrfurcht, Staunen und unendlicher Dankbarkeit angenommen.
Und so trafen weitere Briefe in New York ein. Briefe voller Dank und freundlicher Worte von den Angestellten von Marks & Co., von Franks Frau, von seinen Töchtern und von seiner Nachbarin. Längst ging es nicht mehr nur um Bücher, denn mittlerweile schrieb man sich von alltäglichen Erlebnissen, Neuigkeiten und Familienereignissen.
Helene hatte durch diesen einen ersten Brief, dieser Bestellung auf gut Glück, nicht nur eine Menge an guten und günstigen Büchern erhalten sondern auch noch einen großen Freundeskreis. - Längst war klar, dass man sich eines Tages besuchen würde....

Der noch junge Atlantik Verlag versteht es offensichtlich, vergessen geglaubte Bücherjuwelen auszugraben und neu aufzulegen. Schon "Das Haus der vergessenen Bücher" von Christopher Morley (zur Rezension geht's *hier*), welches 1919 zum ersten Mal verlegt wurde, konnte mich sehr begeistern. 
Mit "84 Charing Cross Road" hat der Verlag nun wieder absolut ins Schwarze getroffen. Kritiker sind voll des Lobes und auch ich kann Euch dieses Buch nur empfehlen. Auf dem Umschlag steht, es wäre eine Hymne auf die Freundschaft und auf die Literatur, und das ist es wirklich. Ein absolut warmherzigen Buch, das den Leser nach (leider nur) 160 Seiten mit einem Lächeln und einem guten Gefühl zurücklässt.

MEIN FAZIT? Lesen! Unbedingt! 5/5 BÜCHEREULEN 




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Kommentare: 2
  • #1

    Bärbel Wintrath (Freitag, 02 Oktober 2015 16:31)

    Auf Deine Empfehlung sitze ich nun mit diesem Buch, die letzte Herbstsonne genießend, auf meinem Balkon und grinse wie ein Honigkuchenpferd. Es ist einfach ein zauberhaftes Buch und ich bin jetzt schon traurig, daß ich es bald ausgelesen habe.........

  • #2

    Kerstin von Literaturchaos (Freitag, 02 Oktober 2015 16:44)

    Liebe Bärbel!
    Vielen Dank für Deine netten Worte! "84 Charing Cross Road" ist wirklich ein außergewöhnliches Buch, dass am Ende aber noch nicht zuende ist. Denn es gibt eine Fortsetzung: In "Die Herzogin der Bloomsbury Street" erfahren wir Leser alles über Helenes Reise nach London....

    ❤-liche Grüße,
    Kerstin