DER CIRCLE

von DAVE EGGERS


Kiepenheuer & Witsch Verlag (www.kiwi-verlag.de)

Erschienen im August 2014

ISBN 978-3-426-04675-5

Format: gebunden

Preis: 22,99

Seiten: 550


 "Wahnsinn", dachte Mae. "Ich bin im Himmel." - So beginnt dieser Roman, der den Leser auf eine 550-seitige Achterbahn der Gefühle, des Begreifens und schließlich des Entsetzens mitnimmt. 550 Seiten, auf denen mir häppchenweise ein Zukunftsszenario präsentiert wurde, das durchaus machbar aber alles andere als wünschenswert ist. 550 Seiten, die mich erschaudern liessen und die mich dennoch fasziniert haben.

Welche Macht hat das Internet über uns? Darum geht es in diesem Roman. Ohne das Internet könntet Ihr meine Meinung zu "Der Circle" nun nicht lesen. Ihr müsstet Buchhandlungen aufsuchen, um Euch über Neuerscheinungen zu informieren, hättet es im Allgemeinen schwer, Preisvergleiche anzustellen, müsstet Euren Urlaub direkt im Reisebüro buchen, könntet nicht mal eben Google nach einem Hausmittel zur Rotweinfleck-Entfernung fragen, hättet keine Ahnung, was Eure Freunde zum Mittag gegessen haben und und und....
Kurz: das Internet hat definitiv eine Menge Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind.
Aber wie sieht es mit unseren Daten aus, die wir preisgeben müssen, um Accounts einzurichten, unseren Passwörtern und unseren Bankkonten? Auch das alles ist im Internet gespeichert und wer-weiß-wem zugänglich.

Was man mit diesen Unmengen an gespeicherten Informationen alles anrichten könnte, davon könnt Ihr Euch in "Der Circle" ein vages Bild machen.

Aber zurück zum Anfang: Mae wähnt sich im Himmel, als sie über das riesige Gelände des Circle geht, jener fiktiven Firma, jenem Internetriesen, der Facebook, Google und Co. in sich vereint, jener Datensammelmaschinerie, die sämtliche Daten, Konten, Blogs, Profile, usw. ihrer Millionen von Nutzern weltweit verwaltet.
Mae Holland ist durch die gute Fürsprache ihrer Freundin Allie beim Circle eingestellt worden und überglücklich. Denn wer träumt nicht davon, in dieser hochmodernen Firma zu arbeiten, die außer Arbeit und sehr guten sozialen Leistungen ihren Mitarbeitern auch noch ein jederzeit zugängliches Buffet, Wohnheimzimmer, Fitnesscenter, Kindertagesstätten, Parties, Konzerte, und diverse andere Annehmlichkeiten bietet? Alles gratis natürlich!
Und so legt sich Mae richtig ins Zeug und steigt aufgrund ihres immer größeren Arbeitspensums unaufhaltsam auf der Karriereleiter nach oben. Da beim Circle alles registriert, bewertet, sofort ausgewertet und allen zugänglich gemacht wird, weiß immer jeder genau, wo er im Ranking steht. Das spornt natürlich zu Höchstleistungen an, denn jeder will zu den Besten gehören. Dass Mae dabei irgendwann auf der Strecke bleibt, zuweilen eine innere Unruhe oder auch tiefe Trauer verspürt und eigentlich fast ausschließlich virtuelle Kontakte hat, ignoriert sie. Dass ihr Arbeitgeber sie dazu anhält, ständig ihre Aktivitäten zu posten und öffentlichen zu machen und die Aktivitäten anderer zu kommentieren, findet sie nicht komisch. Dass der Kontakt zu ihren Eltern und Freunden immer weniger wird, bemerkt sie gar nicht.
Der Leser könnte zu dem Schluss kommen, dass der Circle sowohl seine Mitarbeiter als auch seine Nutzer einer Gehirnwäsche unterzieht. Der Circle will Informationen - und zwar alle!
Weltweit werden Millionen Kameras von eifrigen Usern installiert, um so dem Verbrechen keine Chance mehr zu geben. Kindern werden Chips implantiert, um Entführungen zu vermeiden. Politiker werden mit ständig laufenden Kameras am Körper "gläsern" gemacht.

-"Jetzt sind wir alle Gott. Bald wird jeder Einzelne von uns in der Lage sein, jeden anderen zu sehen und ein Urteil über ihn zu fällen. Wir werden alles sehen, was Er sieht. Wir werden Sein Urteil aussprechen. Wir werden Seinen Zorn channeln und Seine Vergebung erteilen." - Zitat Seite 448/449

So sehen sie also aus, die Auswirkungen des Internets auf die Privatsphäre der Menschen: die Währung ist die Freiheit. Es kommt zur totalen Überwachung.
Dass das nicht gutgehen kann und die Geschichte auf ein ganz böses Ende zusteuert, dürfte jedem klar sein.

Mae, die zu Anfang der Geschichte ein wenig naiv 'rüberkommt, macht eine Wandlung durch, die sie mir nicht unbedingt sympathischer macht. Annie, ihre Freundin und wichtige Person beim Circle, wirkt etwas überheblich.
So richtig identifizieren kann man sich mit keinem der Protagonisten, da alle auf ihre Weise eher negative Eigenschaften haben.
Und dennoch habe ich das Buch gerne gelesen, habe mich auf die Lesezeit gefreut und mich nur in der Mitte, als die Geschichte etwas geschwächelt hat, ganz kurz gelangweilt.
Denn dieses Szenario ist in der heutigen Zeit und mit den heutigen technischen Mitteln absolut machbar. Diese Tatsache sollte man nicht aus den Augen verlieren und das macht das Buch für mich zu etwas Besonderem.

MEIN FAZIT: faszinierend und erschreckend. 4/5 BÜCHEREULEN


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